Heute waren wir – eine vierköpfige Güter-Delegation – bei der Foodcoop „Système B“ in Neuenburg zu Besuch. Ein Gründungsmitglied des Système B hat uns den Laden gezeigt und mit viel Enthusiasmus unsere zahlreichen Fragen beantwortet. Am Schluss wurde uns empfohlen, auch noch einen Abstecher bei der zweiten Foodcoop in Neuenburg zu machen: „L’épicerie d’à côté“. Auch das haben wir getan und wollen hier unsere wichtigsten Eindrücke zusammenfassen.
„Was? In Bern gibt es noch keine Foodcoop?“
Das Système B hat im April 2018 seine Türen geöffnet und zählt heute mehr als 200 Mitglieder. Da ihr Raum eher klein ist, kam es zeitweise zu einem Aufnahmestopp für neue Mitglieder. Dies führte dazu, dass vor einem Jahr eine weitere Foodcoop namens l’Épicerie d’à côté entstanden ist, welche nun beständig am wachsen ist. Die Nachfrage nach Foodcoops ist auch in Neuenburg gross! Umso grösser war das Erstaunen der Leute in Neuenburg, als sie hörten, dass es in der Bundesstadt (noch) keine wirkliche Foodcoop gibt… Das werden wir ja zum Glück ändern 🙂
Es geht auch mit weniger Professionalisierung
Bei Güter haben wir uns schon viele Überlegungen zu effizienten Abläufen gemacht: Braucht es eine bezahlte Stelle, welche sich um die ganze Logistik kümmert? Welche Software wollen wir für die Schichtplanung, das Kassensystem oder die Logistik verwenden? In Neuenburg haben wir gesehen, dass es auch ohne allzu grosse Professionalisierung geht. Zu unserem Erstaunen kommt das Système B ganz ohne bezahlte Stellen im Laden aus. Beeindruckt hat uns auch, dass der Laden weitgehend ohne Lieferungen von Grosshändlern auskommt. Anstelle von Vollsortiment und lückenlosem Lagerbestand stehen der Direktbezug, die Kooperative als politisches und soziales Projekt sowie möglichst wenig ökonomische Sachzwänge im Vordergrund. So werden zum Beispiel auch alle Einkäufe von den Mitgliedern finanziert, indem sie im im Voraus Geld auf ihr Konto laden.
Wow! 5% Marge auf lokal produzierten Lebensmitteln
Weil es keine bezahlten Stellen gibt und dank der unentgeltlichen Mitgliedereinsätze kann das Système B die Margen auf die Produkte sehr tief halten. Auf das reguläre Sortiment beträgt die Marge 20%, auf lokal produzierte Produkte sogar nur 5%. So können nachhaltig und möglichst lokal produzierte Produkte verhältnismässig günstig angeboten werden und die Preise auf Seiten der Produzent*innen werden nicht gedrückt. Ein Grossteil des verkauften Gemüses kommt aus dem eigenen jardin B, für den sie Gemüsegärtner*innen anstellen konnten.
Die Mitglieder arbeiten gerne mit
Da es keine bezahlten Stellen gibt muss die Kontinuität von einem sehr motivierten Kern des Projekts aufgefangen werden. Es gibt natürlich auch im Système B Leute, welche ihre Schichten ausfallen lassen. Im Grossen und Ganzen leisten die Leute ihre Schichten aber sehr gerne. Viele Mitglieder freuen sich, ihre Schichtkolleg*innen wiederzusehen und organisieren sich in fixen Gruppen. In der Épicerie treffen sie sich beispielsweise jeweils samstagmorgens zum Brunch. Die Mitarbeit im Laden ist für die meisten eine willkommene Abwechslung zu ihrem sonstigen Alltag.
Nicht zu klein, aber auch nicht zu gross
Mit 70m2 Fläche stösst das Système B an gewisse Grenzen: Zum Beispiel hat es keinen Platz für voluminöse Produkte wie etwa Toilettenpapier oder Windeln. Für Gebinde (Kisten, Harassen, etc.) konnte glücklicherweise in einer angrenzenden Garage Platz gefunden werden. Ein kleiner Raum bringt also beträchtliche Einschränkungen mit sich. Trotzdem wurde uns empfohlen, auch nicht allzu gross zu starten. Eine mittlere Grösse (100-150m2) scheint uns ideal für den Start in Bern. Bei der Eröffnung zählten sie 100 Mitglieder.
Viel Holz und Charme
In beiden Foodcoops wurde viel Arbeit in die Infrastruktur gesteckt: Selbstgemachte Gestelle, Abfüllanlagen für den Unverpacktbereich und so weiter. Die Épicerie setzt auf eine eigens für Mitmachläden entwickelte Software: Die Einkäufer*innen erledigen ihren Einkauf selber auf dem Smartphone, wo sie ebenfalls immer den aktuellen Lagerbestand abfragen können. Nicht nur der freundliche Umgang unter den anwesenden Mitgliedern, auch das viele und mit Liebe verarbeitete Holz trägt zu einer positiven Atmosphäre bei.
Mit einer grossen Portion neuer Motivation machen wir uns auf den Heimweg. Und einem Gefühl, dass es auch in Bern nur eine Frage der Zeit ist, bis Foodcoops den Detailhandel prägen.